Posaunenchorjubiläum Undenheim, 24. Juni 2006
Wahrscheinlich haben die Frauen, die auch hier wie überall im Hintergrund auf eine Weise wirken, die das Fest überhaupt erst gelingen läßt, schon seit Wochen Vorbereitungen getroffen: aus buntem Papier Achtelnoten und Violinschlüssel ausgeschnitten und an die Fenster und Türen geklebt, Hunderte von Plätzchen in Notenform, in Form von Violinschlüsseln, Kommas und Achtelpausenzeichen gebacken. Tücher für die Tischdeko zugeschnitten, Blumentöpfchen in buntes Papier gepackt usw.Wie auf dem Land üblich waren zum Fest musikalische Gruppen aus der Umgebung geladen: Posaunenchöre, Kirchenchöre, Gesangvereine. Der Dekanatskirchenmusiker Rainer Groß trat mit einem seiner Chöre im Festprogramm auf, ein wichtiges Zeichen. Vor der Halle war geflaggt: Rheinland-Pfalz, das Kirchenchorzeichen und das Posaunenchorzeichen. So wird sichtbar, womit die Festgemeinde sich identifiziert.
Es gab ein Zeit, in der habe ich über das Ehrungs- und Jubiläumswesen eher mit leisem Hochmut gelächelt. Inzwischen sehe ich das anders: hier drückt sich Respekt gegenüber dem persönlichen Einsatz der Menschen und ihrer tiefen Bemühung ums Musizieren aus. Von Zeit zu Zeit wollen sie gemeinsam ihr starkes Engagement und ihr Durchhaltevermögen - die Undenheimer zum Beispiel spielen 40 Einsätze im Jahr - feiern und gemeinsam Festfreude erleben. Das gefällt mir, und ich finde es sehr verständlich. Im gleichen Maß, in dem ich diesen Zusammenhang begriffen habe, hat mein Verständnis für diejenigen sich gegen 0 bewegt, die ausschließlich Hochkultur als Kultur verstehen wollen.
Es war ein sehr schöner Jubiläumsabend, auf seine Weise. Er war voll von Musik, und die Veranstaltung war sehr gelungen. Zwar dauerte sie insgesamt drei Stunden, war aber trotz vieler Grußworte und eines breiten Programmes kurzweilig. Einer der BiHüNer brachte es auf den Punkt: die Festredner redeten sich nicht fest.
|
Vokalchöre aus Undenheim selbst und benachbarten Orten brachten je drei Stücke zu Gehör. Dabei konnte unterschiedliche Arten von Repertoiregestaltung, Chorleitung und dem daraus folgenden Ergebnis an Laiengesang erleben. So schien einer der Chorleiter direkt aus der Zeit übrig geblieben zu sein, in der die Gesangverein-Bewegung ihre Blüte erlebte. Das Repertoire entstammte demzufolge der klassischen Gesangsvereins-Literatur: mit romantischen deutschsprachigen Texten versehene Stücke aus der Orchesterliteratur, die man im Ohr hat. In der gleichen Repertoire-Tradition sang ein großer Frauenchor Mozarts mit Text unterlegte Kleine Nachtmusik.
Ein deutlicher Unterschied - aber das muß auch so sein - war sicht- und hörbar zwischen Dirigaten von Profis (außer Johannes Kunkel mit BiHuN noch Rainer Groß, der hauptamtliche Kirchenmusiker des Dekanates mit einem großen, gemischten Kirchenchor) und Laien/Nebenamtlern. Bernhard Frank, der neue Chorleiter des Jubel-Posaunenchores (der innerhalb der Veranstaltung hochoffziell den Dirigentenstab überreicht bekam - 'Hut ab' für Gerhard May, der sich mit freundlicher Sachlichkeit und offenbar ohne Wehmut von seinem Amt trennte und nun als Trompeter im Chor noch mitwirken wird, er ist seit ein paar Jahren im Ruhestand) ist im Fach Dirigieren Semi-Profi: studierter Schulmusiker mit Hauptfach Posaune, als Posaunenchorleiter nebenberuflich qualifiziert. Er wird die Bläserinnen und Bläser im Posaunenchor deutlich fördern können, vor allem auch in der Ausbildung am Instrument.
Ganz wichtig bei dieser Art Veranstaltung - bei allem Gefälle an musikalischer Qualität - ist die Erfahrung: hier musizierten viele Menschen, die der Musik einen großen Teil ihrer freien Zeit widmen. Sie gaben im Konzert mit ganzem Einsatz, was sie geben konnten, so gut sie es vermochten. Sie alle erleben durch das Musizieren viel Freude und Glück in ihrem Lebensalltag. Davor habe ich eine große Hochachtung.
|
Genauso wichtig erlebe ich die Arbeit der hauptamtlichen Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in den Dekanaten und Gemeinden. Rainer Groß, den ich am 24. Juni zum wiederholten Male erlebte, gelingt es, die Menschen, mit denen er in seinem Chor musiziert, dort abzuholen, wo sie innerlich sind. Deutlich zu spüren ist, daß er dies in der Haltung innerer Wertschätzung tut (was bislang nur sehr wenige studierte Kirchenmusiker/innen hinbekommen). D.h. er fördert und fordert die Sängerinnen und Sänger von dem technischen und repertoiremäßigen Niveau aus, auf dem er sie antrifft.
Konkret heißt das: er hat zum Beispiel keine Angst vor bekannten Pop-Stücken. Er akzeptiert, daß das Musik ist, die die Winzer, Bäuerinnen, Supermarkt-Kassiererinnen, Lehrer, Arbeiter, Hausfrauen, Angestellten, Großmütter und -väter, die Teenies kennen. Musik, die bei ihnen Wohlgefühle auslöst. Damit schenkt er ihnen zunächst - indem er dennoch stimmbildend und chorgesangstechnisch mit ihnen arbeitet, Wohlgefühl beim Singen, das sie wiederum im Auftritt &132;rüberbringen. Darüber hinaus aber entsteht langsamer Fortschritt und mit der Zeit Aufgeschlossenheit für ein anderes, musikalisch weiteres, fortgeschritteneres Repertoire. Als Kirchenchor werden sie darüber hinaus typisches Repertoire singen, was die oben skizzierte Entwicklung seinerseits befördern wird.
Last but not least: die Entwicklung 'BiHuN goes Bigband' setzt sich fort. Zwischen den Landeskirchenmusiktagen in Erbach und dem Posaunenchorjubiläum Undenheim lagen zwei Proben, in denen das Ensemble die Tonaufnahmen des Erbacher Konzertes ausgewertet hat. Abgesehen vom Arbeiten an den Einzelheiten mancher vertrackter Stücke, vor allem der Funk-Nummern, hat sich der Sound in den zwei Wochen für mich deutlich hörbar verbessert.
Daniela Stein