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Kurrendeblasen - nein danke!

plakat Samstag, 22. Juni 2002, irgendwo in Eltville. Eine Gruppe von Teilnehmern des Bezirkspoaunentags hat sich zum Kurrendeblasen zusammengefunden. Ich mal wieder zu spät, weil die Kinder noch dies und das zum Opa mitnehmen wollten. Und dann ist es plötzlich wieder da, dieses Gefühl aus der Adventszeit - alle Vorurteile über Posaunenchöre werden wahr. Schlechtes Zusammenspiel, noch schlechtere Intonation, auf jeden Fall kein Spaß für die Zuhörer. Und zum (n+1)ten Mal beschließe ich: Nie wieder Kurrendeblasen.

Ein seltsames Phänomen. Fast jedesmal, wenn Posaunenchöre in der Öffentlichkeit spielen, scheinen sie bemüht zu sein, sich möglichst schlecht zu präsentieren. Der absolute Tiefpunkt ist nach meiner Erfahrung das alljährliche Blasen zum Martinszug des Kindergartens. Warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?

Natürlich kann ich über die Gründe nur Mutmaßungen anstellen, aber jeder kann für sich selbst überprüfen, ob sie zutreffen.

Wir befinden uns in einer ungewohnten Situation. Draussen klingt es nämlich ganz anders als im Probenraum und in der Kirche. Man hört sich selbst kaum und seine Mitbläser noch weniger. Dadurch leidet der eigene Ton und noch mehr die Intonation in der Gruppe. Beim Martinszug kommt dann noch das ungewohnte Blasen während des Laufens hinzu, verbunden mit unzureichendem Licht.

Den Schwierigkeiten Rechnung tragend, werden meist nur einfache und altbekannte Stücke aufgelegt. Dadurch wird das Blasen oft unterschätzt (alles schon tausend Mal gespielt, das klappt schon ). Die Konzentration läßt nach und dementsprechend wird alles noch schlechter. Der Höhepunkt wird diesbezüglich beim Martinsblasen erreicht. Einfachste Sätze und dann ist es ja nur für die Kindergartenkinder.

Ist das alles wirklich so schlimm? Nein - es ist noch schlimmer! Beim Martinszug vergraulen wir uns alle potentiellen Jungbläser. Die Kinder können nämlich sehr wohl zwischen gut und schlecht gemachter Musik unterscheiden. Wenn dann noch die Eltern zu Hause bemerken, der Posaunenchor habe wieder mal grauenhaft gespielt, ist es endgütig vorbei mit dem Interesse. Und bei der weihnachtlichen Kurrende konkurrieren wir mittlerweile - ob wir wollen oder nicht - mit professionellen Blechbläserensembles in den Fußgängerzonen.

Was können wir tun? Wenn man bereit ist, die oben angeführten Gründe zu akzeptieren, ergeben sich die Gegenmaßnahmen von selbst:

Kurrende- und Martinsblasen muß ernst genommen werden, wenn man es denn betreiben will. Jeder sollte sich im Klaren darüber sein, daß diese Einsätze genau so wichtig sind wie das jährliche große Konzert in der Kirche (Ach so? Sie hatten bei Ihrem letzten Konzert 400 Zuhörer, von denen viele keine alten Fans sondern ganz neue Gesichter waren?). Wer das nicht kann, muß ja nicht unbedingt mitspielen. Außerdem sollten wir uns auf die Situation vorbereiten. Das Zusammenspiel im Freien muß geübt werden. Ebenso das Blasen im Gehen. Gut geeignet hierfür sind Schulhöfe oder Sportplätze. Das Ohr muß Gelegenheit bekommen, sich an die geäderte Situation azupassen. Dann klappt es auch wieder mit Intonation und Zusammenspiel.

Was bedeutet dies nun alles für das Kurrendeblasen auf Posaunentagen? Nun, wenn es nicht gelingt, bereits in den Blockproben Kurrendegruppen zusammenzustellen, die sich dann im Freien aufeinander einspielen - dann sollten wir es lassen. Sonst kommen wir noch ins Buch der Rekorde: als einzige Gruppe, die mit ihrer schlechtesten Leistung Werbung macht.

Matthias Klein

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