Beide Bezirke
Südnassau Rheinhessen

Karl-Ludwig Blecher vom Bläserkreis der Bergkirche geht in den „Ruhestand“

„Mit der Trompete bekommt man überall Kontakt“

WIESBADEN. – Mehr als 70 Jahre war der 83-jährige Karl-Ludwig Blecher Trompeter in verschiedenen Bläserchören. 44 Jahre lang spielte er im Bläserkreis der Bergkirche, wo er jetzt von seinen Wegbegleitern in den „Ruhestand“ verabschiedet wurde. Seine Tochter Caroline hat das „Staffelholz“ übernommen.

Karl-Ludwig Blecher geht als Bläser in den „Ruhestand“
 – seine Tochter Caroline Kilian übernimmt seinen Part im Bläserkreis der Bergkirche.

Als ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimatstadt Dillenburg der Posaunenchor des CVJM wieder neu aufgebaut wurde und Bläser suchte, schloss er sich mit elf Jahren dem Ensemble an. Ohne vorherigen Unterricht stieg er ein – „learning by doing“ war angesagt. Trompetenunterricht hat er nie gehabt, sondern sich autodidaktisch so perfektioniert, dass er später selbst Jungbläsern Unterricht erteilte und einen Posaunenchor leitete. Er unterrichtete auch seine fünf Kinder und war ihnen als ambitionierter Bläser stets ein Vorbild. Alle sind sie in seine Fußstapfen getreten und spielen Posaune, Trompete oder Tuba.

In welchen Bläserchören er spielte, hing eng mit seinem beruflichen Werdegang zusammen, den er ähnlich beherzt anging wie den musikalischen. „Ich habe bei meinem Vater eine Maler- und Lackiererlehre gemacht und danach bei einem anderen Malermeister ein Volontariat“, erzählt er. Dort schnupperte er auch in die Büroarbeit hinein und die Chefin legte ihm nahe, das Zehn-Finger-Maschineschreiben zu lernen. Weil er das konnte, wurde er später vom Amtsgericht in Dillenburg zum Schreiber und Protokollführer angeworben, von wo aus er nach etlichen Jahren zum Oberlandesgericht nach Frankfurt wechselte. „Dort machte ich die Ausbildung zum Sekretär für die mittlere Beamtenlaufbahn und Ende 1967 wechselte ich als Verwaltungsbeamter zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe.“ In Karlsruhe hatte er ohne vorherige Bewerbung oder Einladung vorgesprochen und nach einer Stelle gefragt. Damit hatte er seine zukünftigen Vorgesetzten so überrascht, dass sie ihn – nach Prüfung seiner Zeugnisse – einstellten. „überall, wo ich gearbeitet und gewohnt habe, habe ich mich örtlichen Posaunenchören angeschlossen und schnell Kontakt in der neuen Heimat gefunden“, versichert er. „Den Tipp habe ich auch immer meinen Jungbläsern gegeben, die zum Studieren weggegangen sind. Eine Posaune oder eine Trompete kann man, im Gegensatz zum Klavier, überall hin mitnehmen.“

So war es auch als er 1973 mit der ganzen Familie Karlsruhe wieder verließ und nach Wiesbaden in die Hessische Staatskanzlei wechselte. Durch Fort- und Weiterbildungen, die er absolvierte, wurde er als Justizbeamter im Laufe seines Berufslebens zum Oberamtsrat befördert. Seine Frau Inge hielt ihm stets den Rücken frei und begleitete ihn und die Kinder zu allen Auftritten, so dass er neben Beruf und Familie den CVJM-Posaunenchor übernehmen konnte. Er leitete ihn bis 1988 mit wöchentlich zwei Proben. Ebenfalls seit 1973 spielte er als Trompeter im Bläserkreis der Bergkirche, die ihm und seiner Familie zur Heimat wurde. An Weihnachten 2017 gab er dort mit dem Bläserkreis sein letztes Konzert. Er hat schon eine Weile ans Aufhören gedacht, doch der Schritt ist ihm leichter gefallen, nachdem seine Tochter Caroline Kilian vor einem halben Jahr in den Bläserkreis eingetreten ist. „Ausgerechnet ich bin diejenige bin, die ihn im Bläserkreis ablöst“, sagt sie. Denn sie hat zwar in der Kantorei gesungen, aber mehr als 20 Jahre als Trompeterin pausiert, während ihre vier Geschwister von Kindheit an ununterbrochen ihr Instrument in Bläserensembles oder Orchestern spielen. Zwei Brüder sind sogar hauptberufliche Musiker geworden: Markus Blecher spielt Posaune im Rundfunkorchester München; Tobias Blecher spielt Trompete im Theater in Mannheim. Schwester Christina spielt Posaune und der jüngste Bruder Daniel spielt Tuba. Auch die Enkelinnen Lydia, Johanna und Rebecca spielen Blasinstrumente. „Im vergangenen Jahr habe ich wieder angefangen mit meinem Vater zusammen Trompete zu spielen. Dass ich jetzt im Bläserkreis spiele, hat ihm den Abschied erleichtert“, erzählt Caroline Kilian.

„Einerseits fehlt mir der Chor, aber andererseits ist es gut so, denn das Alter macht sich auch bemerkbar“, gesteht Karl-Ludwig Blecher mit gelassener Heiterkeit. Inzwischen ist er mit seiner Frau nach Niederneisen in den Taunus gezogen, wo er natürlich weiterhin zu Hause Trompete spielt, um in Übung zu bleiben. Wenn die Kinder und Enkel kommen, ist immer Hauskonzert angesagt. „Dass meine Frau und die Kinder in der Musik immer mitgezogen haben, hat zu einem großen Familienzusammenhalt geführt“, betont er. „Es war eine segensreiche Zeit. Ich bin Gott dankbar, dass er uns immer bewahrt hat, auch bei den vielen Fahrten zu siebt und mit den ganzen Instrumenten im Auto.“

Text und Foto: Christa Kaddar
Freie Journalistin, Eltville